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Wenn immer alles toll sein muss

Psychologie: Anzeichen von toxischer Positivität

  • Aktualisiert: 24.11.2023
  • 14:48 Uhr
  • Sarah Matthias
Immer fröhlich, immer voller Energie und stets alles erreichen, was man sich vornimmt: Toxische Positivität gaukelt das vor, doch sie hat ihre Schattenseiten.
Immer fröhlich, immer voller Energie und stets alles erreichen, was man sich vornimmt: Toxische Positivität gaukelt das vor, doch sie hat ihre Schattenseiten.© neonshot - stock.adobe.com

Das Wichtigste in Kürze

  • Toxic positivity, toxische Positivität oder "good vibes only" begegnen uns immer wieder.

  • Das psychologische Phänomen beschreibt, fast schon zwanghaft immer nur das Gute zu sehen.

  • Dabei werden negative, aber wichtige Gefühle unterdrückt. Auf Dauer kann uns das krank machen.

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Eine positive Einstellung zum Leben ist gesund, doch was, wenn die Schönfärberei zu viel wird? Übertriebene toxische Positivität oder "good vibes only" können uns und unseren Beziehungen sogar schaden. Was genau dahinter steckt und wie du ein gesundes Gleichgewicht findest.

Jeden Tag strahlen uns fröhliche, glückliche Gesichter aus unseren Smartphones entgegen und vermitteln: "Dein Glück ist Einstellungssache." Auch im Alltag bei der Arbeit, mit Freund:innen oder im Sport lautet das Credo stets: "Sieh es positiv!" Doch was passiert eigentlich mit vermeintlich negativen Gefühlen? Ärger, Traurigkeit, Nachdenklichkeit und Verzweiflung bleiben dabei (zu oft) auf der Strecke. Und schon befindest du dich im Netz der sogenannten toxic positivity - zu deutsch: toxische Positivität.

Im Clip: Woran du eine toxische Freundschaft erkennst

Emotionaler Müllereimer? 5 Anzeichen einer toxischen Freundschaft

Vorab: Eine zuversichtliche und positive Grundeinstellung zum Leben ist für ein gesundes und langes Leben wichtig. Nur so kannst du Herausforderungen meistern. Doch es gilt, auch beim Optimismus das richtige Maß zu finden. Denn sobald die Zuversicht zu einem "good vibes only" wird, kann sie zum Problem werden. Natürlich ist es auch problematisch, immer nur das Negative zu sehen. Wie du erkennen kannst, ob du pessimistisch bist, und was du tun kannst, um negative Glaubenssätze loszuwerden, erklären wir dir hier.

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Was ist toxische Positivität?

Positivität wird dann toxisch, wenn negative Gefühle unterdrückt und tabuisiert werden. Es sind nur noch positive Gefühle "erlaubt".

Toxische Positivität bedeutet also, dass der Optimismus so viel Raum einnimmt, dass wirklich alles einen positiven Effekt haben und eine Chance sein MUSS. Negative Gefühle wie Angst, Trauer oder Wut haben keinen Platz mehr und werden regelrecht unterdrückt. Und das wiederum kann dir genauso schaden wie Pessimismus - egal, wie positiv du auch bist.

Alle Gefühle gehören zu uns und haben wichtige Funktionen, die gesehen und gefühlt werden müssen. Angst kann uns vor Gefahr warnen, Trauer zeigt uns, was uns wichtig ist, Wut kann auf überschrittene Grenzen hindeuten.

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Der Unterschied zum gesunden Optimismus

Beim gesunden Optimismus hingegen werden alle Gefühle wahr- und angenommen. Dabei behalten Optmitmist:innen auch in schwierigen Situationen stets den Glauben daran, dass es wieder besser werden wird.

Ein Beispiel:
Du bewirbst dich bei verschiedenen Firmen auf eine neue Stelle. Immer wieder bekommst du Absagen oder sogar überhaupt keine Rückmeldung.

Ein:e Optimist:in sieht dieses Scheitern, lässt zu, dass das frustrierend ist und erlaubt sich, traurig oder ärgerlich zu sein. Er oder sie versucht es weiter, in der Überzeugung, dass es irgendwann klappen wird - schaut sich aber auch an, woran es liegen kann. So fällt bspw. auf, dass ihm oder ihr vielleicht doch noch eine Qualifikation fehlt, oder die Forderungen einfach zu hoch sind. Diese Erkenntnisse werden dann genutzt, um doch noch erfolgreich zu sein.

Toxisch positiv ist es, wenn - ohne etwas zu verändern - einfach weiter Bewerbungen nach demselben Schema abgeschickt werden würden und jede Absage als Chance oder Ansporn gesehen werden muss.

Gesunder Optimismus tut uns gut - aber Platz für negative Gefühle muss sein!
Gesunder Optimismus tut uns gut - aber Platz für negative Gefühle muss sein!© K Davis/peopleimages.com - stock.adobe.com

Warum ist "good vibes only" so schädlich?

Wie oben schon erwähnt, haben auch erstmal unangenehme Gefühle eine durchaus wichtige Funktion. Sie weisen uns auf Bedürfnisse, Wünsche, Grenzen hin, die du vielleicht erstmal gar nicht bewusst wahrnimmst.

Negative Erlebnisse und Emotionen regen zum Nachdenken und Bewerten an und motivieren dich, etwas zu verändern. Sie geben dir sogar die Energie dafür. So kannst du dich verbessern. Zweifelst du niemals an etwas, wirst du immer die gleichen Fehler machen. So wird toxic positivity aus dem Bewerbungsbeispiel nie, oder erst viel später, zum Erfolg führen.

Sowohl dir selbst als auch deinen Beziehungen, kann toxische Positivität schaden. Das Mindset, immer selbst verantwortlich, und demnach auch selbst Schuld am eigenen Glück oder Unglück zu sein, erzeugt wahnsinnigen Druck. Das kann sehr frustrierend sein, wenn auch negative Gefühle da sind.

Wird der Optimismus zur Pflicht, kann er zum Gegenteil führen.
Wird der Optimismus zur Pflicht, kann er zum Gegenteil führen.© okrasiuk - stock.adobe.com

Stell dir mal vor, es geht dir richtig schlecht, weil einfach gerade alles zusammenkommt: eine Kündigungswelle, eine schlimme Diagnose, schlechte Nachrichten, eine Trennung. Hilft es dir, dich angenommen und verstanden zu fühlen, wenn jemand sagt: "Sieh es doch mal positiv"?

Vermutlich eher nicht. Das schafft Distanz in Beziehungen und kann dich selbst sogar krank machen. Denn unterdrückte Gefühle lösen Stress aus - das fand die Forscherin Laura Campbell Sills bereits 2006 in einer Studie heraus. Und dauerhafter Stress wiederum hat negative Auswirkungen auf unseren Körper und unsere Psyche: Bluthochdruch, ein erhöhtes Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko, ein schwächeres Immunsystem, innere Unruhe, Overthinking, Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten, Erschöpfung und vieles mehr.

Ebenso schädlich soll es sein, ständig ausschließlich das Glücklichsein im Blick zu haben. Denn dauerhaft glücklich zu sein und sich über alles zu freuen, ist schlichtweg nicht möglich. Dieser Anspruch kann niemals erfüllt werden - so werden die eigenen Gefühle abgewertet, Frustration kommt auf und Grübeleien bis hin zu Depressionen können auftreten. 

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Was ist toxische Positivität?

Toxic positivity erkennst du recht schnell daran, wenn jemand sich möglichst gar nicht mit negativen Aspekten des Lebens beschäftigen möchte. Das kann auch zu Oberflächlichkeit führen. Es gibt aber auch einige typische Sätze, an denen du ein schädlich positives Mindset erkennen kannst - zumindest, wenn diese öfter fallen:

  • Scheitern ist keine Option.
  • Mit der richtigen Einstellung kannst du alles schaffen.
  • Sieh es doch mal positiv!
  • Good Vibes only!
  • Du machst dir zu viele Sorgen/Denk einfach nicht drüber nach.
  • Alles geschieht aus einem Grund.
  • Es gibt Schlimmeres.
  • Alles wird gut.
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Umgang mit toxisch positiven Menschen - so wird's besser

Hast du beim Lesen erkannt, dass du den ein oder anderen Satz auch schon mal gesagt hast? Das bedeutet natürlich nicht sofort, dass du zum "good vibes only"-Club gehörst, aber es kann nicht schaden, einmal zu hinterfragen, welche Sätze du vielleicht alternativ in Zukunft stattdessen nutzen kannst. Hier einige Beispiele:

  • Ich kann verstehen, dass dich das belastet. Möchtest du mir mehr darüber erzählen?
  • Es tut mir leid, dass es dir mit dem Thema so schlecht geht. Kann ich dich irgendwie unterstützen?
  • Ich sehe, dass es dir nicht gut geht. Möchtest du darüber reden, oder ist dir etwas Ablenkung lieber?
  • Das ist wirklich eine sehr blöde Situation, ich verstehe deine Wut/Traurigkeit.
  • Ich höre dir zu und möchte gerne verstehen, wie du dich fühlst.
  • Was würde dir denn jetzt gerade guttun?

Kleiner Tipp: Es hilft auch, dir die Sätze selbst hin und wieder zu sagen und so auch dir selbst mehr Verständnis entgegenzubringen. Du merkst, dass mangelnde Selbstliebe dein Thema ist? Wir haben gute Ratgeberliteratur für dich gefunden, die dich unterstützen kann. Wie du mit Körpersprache und einem gesunden Mindset selbstbewusster werden kannst, verraten wir dir hier!

Reden hilft, dabei sollten Probleme nicht ausgespart werden.
Reden hilft, dabei sollten Probleme nicht ausgespart werden.© M Moller/peopleimages.com - stock.adobe.com

Aber wie geht man am besten damit um, wenn jemand aus dem Umfeld konstant toxisch positiv ist?

Wie in vielen Fällen ist der erste, beste, aber vielleicht auch unangenehmste Schritt: Sprich es an. Wenn es dich stört, dass jemand aus deinem Umfeld immer wieder deine oder auch ihre/seine eigenen Gefühle nicht so annimmt, wie sie sind, kann das eine Beziehung sehr belasten und Distanz schaffen. Rede darüber, äußere, was du dir wünschen würdest. Bleib dabei aber bei dem, wie du die Dinge siehst, ohne Vorwürfe auszusprechen. Das baut nur Mauern auf oder verletzt sogar.

Tipps zum Umgang mit toxic positivity

Was hilft nun aber konkret, um aus der toxisch positiven Denkfalle herauszukommen? Hier einige Tipps:

  1. Du wirst es dir denken können: Sprecht offen miteinander. Auf ein ehrlich gemeintes "Wie geht’s dir?" einfach mal "Mir geht’s echt dreckig" antworten. Aber auch über das Thema toxic positivity könnt ihr direkt sprechen. So gewöhnt ihr euch daran und könnt die alten Muster eher erkennen und sogar ablegen.
  2. Sei auch ehrlich zu dir selbst. Siehst du gerade etwas wirklich positiv, oder willst du gerade nur deine eigentlichen Gefühle nicht wahrhaben oder kannst sie nicht aushalten? Wie oft wischst du Probleme einfach weg oder ignorierst sie?
  3. Versuche dir (immer wieder) bewusst zu machen, dass auch vermeintlich negative Gefühle dazu da sind, dir zu helfen. Sie haben eine Funktion und können dich auf Wichtiges hinweisen. Das macht sie unglaublich wertvoll.
  4. Schaffe dir bewusst Räume für alle Gefühle: negative und positive.
  5. Emotionen wie Angst, Wut und Verzweiflung sind unangenehm. Wir wollen sie deshalb oft schnell loswerden. Übe aber stattdessen alle Arten von Emotionen "durchzufühlen", ohne direkt nach einer Lösung zu suchen, um sie wieder verschwinden zu lassen. Lerne sie auszuhalten. Währenddessen kannst du z.B. meditieren, einen Spaziergang machen, dich zurückziehen - was dir in dem Moment hilft, ist sehr individuell.
  6. Unterstützung kann außerdem helfen, z.B. von Freund:innen, Familie, aber auch Coaches oder Psycholog:innen.

Natürlich ersetzen diese Tipps keine vollständige professionelle Therapie, sollte diese notwendig sein, doch sie können den Weg der Genesung ergänzen und unterstützen.

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