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Atomausstieg verschoben: Ist eine Verlängerung der Kern-Energie vertretbar?

  • Veröffentlicht: 18.10.2022
  • 14:09 Uhr
  • Galileo

Die Debatte um Atomkraft ist hitzig - und bekommt durch die Gas-Krise neuen Aufschwung. Jetzt hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Entscheidung getroffen, wie es mit den verbleibenden AKW weitergehen soll. Wir haben Argumente für und gegen Atomkraft zusammengetragen.

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Das Wichtigste zum Thema Atomkraft

  • Ende 2022 sollten die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Das entschied die Regierung und der Bundestag bereits im Juni 2011.

  • Anlass für diese Entscheidung war das Unglück von Fukushima. Im März 2011 kam es in Japan zu starken Erdbeben und einem Tsunami. Das dortige Atomkraftwerk hielt dem nicht stand, Reaktoren explodierten: der Super-GAU.

  • Nun wird der Atom-Ausstieg aber verschoben. Der Grund: Russlands Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Verknappung von Erdgas. Um die Energie-Versorgung sicher zu stellen, bleiben die drei verbliebenen Atomkraftwerke bis April 2023 am Netz. Das hat Bundeskanzler Olaf Scholz entschieden.

  • Ist es überhaupt vertretbar, die Atomkraftwerke (vorerst) weiter laufen zu lassen? Die entfesselte Ausbreitung von radioaktiver Strahlung wie in Fukushima ist eines der Hauptargumente gegen Atomkraft: Sie sei zu gefährlich.

  • Für Befürworter:innen der Atomkraft liegt die Gefahr nicht in der Technologie selbst, sondern in den inzwischen veralteten Reaktoren: Die neueste Generation sei absolut sicher.

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Ansage vom Bundeskanzler: Die Atomkraftwerke laufen weiter

Noch im Frühjahr war der Kurs der Bundesregierung klar: Die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland sollten Ende 2022 vom Netz gehen. Ein halbes Jahr später wurde das Tempo beim Atom-Ausstieg durch die Energie-Krise gedrosselt.

Das sorgte für Zündstoff in der Ampel-Regierung: Die FDP unter Finanzminister Christian Lindner plädierte für den Weiterbetrieb der drei verbliebenen AKW bis 2024. Die Grünen - insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck - wollten hingegen nur zwei Kraftwerke bis April 2023 am Netz lassen - und das auch nur auf Reserve-Betrieb.

Nach wochenlangem Streit hat Bundeskanzler Olaf Scholz ein Machtwort gesprochen: Die drei verbliebenen Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland laufen bis spätestens zum 15. April 2023 weiter. So soll Deutschland besser vor unvorhergesehenen Situationen geschützt sein.

Wie kann Atomkraft in der Energiekrise helfen?

🔌 Nur etwa sechs Prozent des deutschen Stroms stammen aus Atomkraftwerken. Erdgas macht hingegen noch etwa 11,7 Prozent aus.

Kritiker:innen fragen deshalb, wie Atomkraft bei einer Gas-Knappheit effektiv helfen kann.

🔋 Tatsächlich reagiert die Regierung mit der geplanten Verlängerung nicht nur auf die Erdgas-Krise durch den Ukraine-Krieg, sondern auch auf die Folgen des heißen Sommers. Unter der Trockenheit hat vor allem die Wasserkraft-Produktion in Europa gelitten. Durch den niedrigen Flusspegel konnten Schiffe außerdem weniger Kohle transportieren.

🇫🇷 Bislang galt Frankreich als zuverlässiger Stromlieferant. Aber auch das Nachbarland steckt in einer Energiekrise. Fast die Hälfte der französischen Atomkraftwerke sind aufgrund von Reparaturen derzeit außer Betrieb.

🤝 Was Frankreich weiter liefern kann, ist Gas. Emmanuel Macron versprach deshalb, die Gaslieferungen nach Deutschland auszubauen. Im Gegenzug verpflichtete sich Bundeskanzler Olaf Scholz dazu, dem Nachbarstaat vermehrt Strom zu liefern.

↔ In Deutschland wird nicht überall im gleichen Maße Strom erzeugt und verbraucht. Während im Norden beispielsweise die meisten Windräder stehen, benötigen Ballungszentren in Mittel- und Süddeutschland einen großen Teil des gesamten deutschen Stroms. Weil die Versorgung mit erneuerbaren Energien nicht immer ausreicht, springen im Süden häufig Gaskraftwerke ein. Gas ist aktuell aber knapp und teuer. Gemäß der aktuellen Klima-Debatte sollen künftig Mini-Atomkraftwerke gebaut werden, die ein geringeres radioaktives Potenzial aufweisen sowie günstiger als herkömmliche Atomkraftwerke sein sollen.

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Was passiert mit den Atomkraftwerken in Deutschland? Unsere Reporterin hat ein kürzlich abgeschaltetes Werk besucht

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Verlängerung vertretbar? Das sagen Befürworter:innen der Atomkraft

➡ Atomkraftwerke produzieren sehr konstant Strom, den wir alle sehr konstant brauchen. Anders als erneuerbare Energieträger wie zum Beispiel Windenergie.

🌎 Bei der Energiegewinnung selbst entsteht in Atomkraftwerken kein CO2. Einfach deswegen, weil nichts verbrannt wird.

🔒 Forschende in Idaho (USA) entwickeln neue Reaktoren. Sie sind so gebaut, dass sie sich selbst regulieren und bei Überhitzung allein aufgrund der Naturgesetze wieder abkühlen.

📅 Die sollen noch ein Problem lösen: die Endlagerung des Atommülls. Denn sie verwenden unter anderem abgereichertes Uran, das bisher auf den Müll kam.

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KW 22

Atomkraft: Dafür oder dagegen?

Wir haben mit einem Befürworter und einem Gegner der Atomenergie gesprochen.

  • Video
  • 04:02 Min
  • Ab 12

Sofortiger Ausstieg: Das sagen die Gegner:innen der Atomkraft:

👩‍🏫 In der Theorie mögen die neuen Reaktoren sicherer sein. In der Praxis noch nicht. Es gibt noch keinen fertigen Prototypen. Auch die Reaktoren in Tschernobyl sollten sicher sein - 1986 kam es dort zur Nuklear-Katastrophe.

📅 Die Endlagerung des Atommülls ist immer noch nicht gelöst. Der Müll wird noch Jahrmillionen strahlen. Auch Laufwellen-Reaktoren verursachen radioaktiven Müll, der noch Hunderte Jahre strahlen wird.

🌍 Nach einem Super-Gau sind je nach Windrichtung Landstriche von Hunderten Kilometern Radius unbewohnbar. Die Folgekosten wären extrem.

🔋 Sobald Forschende bessere Speicher entwickelt haben, braucht es die konstante Energieproduktion durch Atomkraftwerke gar nicht mehr. Dann können wir uns komplett mit erneuerbaren Energien versorgen, die wir zu Hochzeiten "eingelagert" haben.

💲 Bislang gebaute Atomkraftwerke machen in der Regel Verluste in Milliardenhöhe. Ein Grund ist der Bau. Der verschlingt oft Milliarden. Außerdem ist der Strom aus Kernkraftwerken teurer als aus erneuerbaren Energien.

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EU-Kommission stuft Atomkraft als nachhaltig ein

Die EU-Kommission hat im Februar 2022 Kernkraft und Erdgas als klimafreundlich eingestuft - trotz massiver Kritik diverser Mitgliedsländer. Grund für diese Entscheidung ist die sogenannte EU-Taxonomie. Sie definiert, welche Bereiche der Wirtschaft als nachhaltig gelten. Das soll Investitionen in klimafreundliche Technologien fördern, um die Energie-Wende zu finanzieren. Kritiker:innen sehen die Einstufung jedoch als Greenwashing.

Immerhin: Die EU-Kommission stuft Atomkraftwerke nur unter bestimmten Kriterien als nachhaltig ein. So gilt die Klassifizierung nur für neue AKW, die bis 2045 eine Baugenehmigung bekommen und die einen konkreten Plan für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ab spätestens 2050 vorweisen können.

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